Kind hüpft im Bett
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ADHS – Ursache, Risikofaktoren, Behandlung

Die Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung (ADHS) betrifft Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Hauptsymptome sind Unaufmerksamkeit, Überaktivität und Impulsivität. Nicht alle Hauptsymptome müssen gleichzeitig vorhanden sein, wie sich ADHS genau äußert kann von Mensch zu Mensch sehr verschieden sein. Die richtige Diagnose und eine adäquate Behandlung sind sehr wichtig um weitgreifenden Problemen in der Schule, im Beruf und anderen Lebensbereichen entgegenzuwirken.

Factbox – ADHS

ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung): Neuronale Entwicklungsstörung, Verhaltensstörung

Betrifft: Kinder, Jugendliche, Erwachsene (beginnt im Kleinkindes- bis Kindesalter und kann sich bis ins Erwachsenenalter fortsetzen)

Ursachen/Risikofaktoren: Genetische und neurobiologische Faktoren, Umwelteinflüsse, soziale Faktoren

Hauptsymptome/Kernsymptombereiche: Unaufmerksamkeit, Überaktivität, Impulsivität

Diagnose: Anamnese, Befragungen und Fremdbeurteilung (Interviews Fragebögen, Checklisten) körperliche Untersuchung, Verhaltensbeobachtung, psychiatrische/psychologische Untersuchung u. a.

Behandlung: Multimodales Therapiekonzept; Therapiebausteine: Aufklärung, Beratung, Elterntraining, Familientherapie, Verhaltenstherapie, Psychoedukation, Coaching, medikamentöse Therapie, Homöopathie, Ergotherapie, Neurofeedback u. a.

Was ist ADHS?

ADHS steht für Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung. Es handelt sich um eine neuronale Entwicklungsstörung und Verhaltensstörung, die vor allem bei Kindern auftritt, mit einer Prävalenz (Häufigkeit) von etwa fünf bis zehn Prozent* unter Schulkindern zählt sie zu den häufigsten neuropsychiatrischen Erkrankungen. Allerdings ist ADHS keinesfalls nur auf das Kindes- und Jugendalter beschränkt. Die Störung beginnt im Kleinkindes- bis Kindesalter und setzt sich mit einer Persistenz (Fortbestehen von einem Symptom oder einer Erkrankung) von 30 bis 60 Prozent ins Erwachsenenalter fort. ADHS wächst sich also nicht in jedem Fall einfach raus, aus vielen ADHS-Kindern werden ADHS-Erwachsene.

Die Verhaltensstörung äußert sich durch Defizite im Bereich der Aufmerksamkeit mit erhöhter Ablenkbarkeit, Hyperaktivität und Impulsivität. Die Ausprägung und Verteilung der verschiedenen Symptome variieren von Patient zu Patient und mit zunehmendem Alter der Betroffenen. Nicht selten bestehen zusätzlich u. a. eine emotionale „Fehlsteuerung“ mit Stimmungslabilität und Übererregbarkeit, welche Betroffene in ihrer Alltagsbewältigung einschränken, eine erniedrigte Frustrationstoleranz und eine Biorhythmusstörung. Folglich können alle Lebensbereiche durch ADHS beeinträchtigt werden, die Symptome können sich sowohl in der Schule oder im Job wie auch im familiären und sozialen Bereich und in der Freizeit zeigen. ADHS ist eine viel diskutierte psychische Erkrankung und eine sehr häufige Verhaltensstörung, aber nicht jedes Kind, das ein Problem in Hinblick auf Aufmerksamkeit hat, Anzeichen von Hyperaktivität zeigt und in der Schule nicht still sitzen kann hat automatisch ADHS. Heutzutage wird schnell von ADHS gesprochen, wenn ein Kind besonders quirlig, unaufmerksam oder zappelig ist. Womöglich ist das Kind aber auch nur öfter unkonzentriert, besonders lebhaft und reizoffen, ebenso kann das Verhalten auch auf ganz andere Ursachen zurückzuführen sein. Eine gründlich erarbeitete Diagnose durch einen spezialisierten Facharzt ist besonders wichtig, sodass Betroffene von Anfang an eine entsprechende professionelle Unterstützung erhalten und Problemen in der Schule, im Beruf und in anderen Lebensbereichen gezielt entgegengewirkt werden kann.

Ursachen und Risikofaktoren

Die Ursachen der ADHS sind bislang nicht vollständig geklärt. Es wird davon ausgegangen, dass verschiedene Faktoren an der Entwicklung beteiligt sind bzw. sein können, darunter genetische Ursachen, neurobiologische Prozesse (strukturell und funktionell veränderte Hirnregionen und hier insbesondere der u. a. für Aufmerksamkeit und Handlungsplanung zuständige präfrontale Cortex und ein Bereich des Endhirns, der die Verarbeitung von Emotionen und Impulsivität reguliert, Neurotransmittersysteme/Signalübertragung zwischen Nervenzellen u. a.), Umwelteinflüsse (z. B. Alkohol und Drogen während der Schwangerschaft) und soziale Faktoren. In Bezug auf soziale Faktoren diskutiert werden u. a. wenig emotionale Zuwendung, häufiges Streiten der Eltern/innerhalb der Familie, fehlende Strukturen und andere ungünstige Bedingungen während der Kindheit, die sich auf den Verlauf der Störung auswirken können.

Symptome

Hauptsymptome bzw. Kernsymptombereiche der Störung sind Unaufmerksamkeit, Überaktivität und Impulsivität. Für jeden Kernsymptombereich werden verschiedene Symptome und Auffälligkeiten beschrieben. Um die Diagnose gemäß gängiger internationaler Klassifikationssysteme (International Classification of Diseases, ICD-10, Diagnostic and Statistical Manual of the American Psychiatric Association, DSM-5) stellen zu können, muss eine bestimmte Zahl an Symptomen über einen bestimmten Zeitraum vorhanden sein. Symptom Unaufmerksamkeit, Beispiele: Lässt sich öfter leicht von äußeren Reizen ablenken, häufig unaufmerksam gegenüber Details und Unaufmerksamkeiten, hat Schwierigkeiten, die Aufmerksamkeit bei Aufgaben und beim Spielen länger aufrechtzuerhalten u. v. m.

Symptom Überaktivität, Beispiele: Zappelt häufig mit Händen und Füßen, steht häufig auf, wenn Sitzen erwartet wird, Schwierigkeiten bei leisen oder ruhigen Freizeitbeschäftigungen u. v. m.

Symptom Impulsivität, Beispiele: Häufiges unterbrechen anderer, kann nur schwer warten, bis er/sie mit etwas an der Reihe ist, platzt häufig mit der Antwort heraus, ehe die Frage zu Ende gestellt wurde u. a. Es werden drei ADHS-Typen unterschieden, darunter der unaufmerksame Typ (Tagträumer, chaotische und desorganisierte Menschen), der vorwiegend hyperaktiv-impulsive Typ und der ADHS-Mischtyp, welcher in allen drei Kernsymptombereichen Auffälligkeiten zeigt. Die Symptome können unterschiedlich stark ausgeprägt sein und verändern sich im Lebensverlauf.

Im Kindergartenalter zeigen sich beispielsweise Probleme in der Beziehung mit Gleichaltrigen und Pädagogen. Später in der Schule können betroffene Kinder die erwarteten Leistungen nicht erbringen und es zeigen sich zunehmend soziale Probleme. Bei betroffenen Jugendlichen zeichnen sich die Probleme im Alltag ab – u. a. in Form von impulsivem Verhalten, unüberlegten Handlungen, Unorganisiertheit und risikoreichem Verhalten (Substanzmissbrauch, erste Verkehrsdelikte etc.). Derartige Verhaltensweisen sind in der Pubertät nicht unüblich, bei ADHS jedoch nicht selten merklich ausgeprägter. Im Erwachsenenalter kann die Störung viele Lebensbereiche beeinträchtigen. Häufige Konfliktfelder erwachsener ADHS-Patienten sind der Arbeitsplatz, Partnerschaft, Sexualität, Substanzmissbrauch und Konflikte mit dem Gesetz. Häufig treten zusätzliche psychische Erkrankungen auf, darunter u. a. Suchterkrankungen, Depression und bipolare Störung.

Diagnose

Die Diagnose ist sehr komplex und erfordert Informationen aus mehreren Quellen. Hierzu gehören die Anamnese, die körperliche Untersuchung, die psychiatrische/psychologische Untersuchung, Interviews und Fremdbeurteilungen, Verhaltensbeobachtungen u. a. Fremdbeurteilungen (Eltern, Geschwister, Lehrer, Partner, andere Bezugspersonen) sind wichtige Bestandteile der Diagnostik und können im Rahmen von Interviews oder mit standardisierten Beurteilungsbögen und validierten Checklisten erhoben werden. Außerdem ist es wichtig, andere Erkrankungen und Störungen abzugrenzen und auszuschließen, wofür weitere Untersuchungen (z. B. MRT) erforderlich sein können. Der genaue Ablauf der Diagnostik ist von Patient zu Patient verschieden und richtet sich nach der individuellen Situation.

Behandlung

Bei ADHS handelt es sich um ein sehr komplexes Störungsbild, welches ein maßgeschneidertes und multimodales Behandlungskonzept erfordert. Die Therapie richtet sich nach dem Alter und genauem Störungsbild des Patienten (Ausprägung, Leidensdruck, Beeinträchtigungen, mögliche Begleiterkrankungen etc.). Therapiebausteine sind u. a. Aufklärung, Beratung, Training der Eltern und Einbezug der Familie (Familientherapie), Zusammenarbeit mit Lehrern und Erziehern, Psychotherapie/Verhaltenstherapie, Verhaltenstraining (Psychoedukation), Coaching und medikamentöse Therapie. Weitere mögliche Therapieformen sind u. a. Homöopathie, Ergotherapie und Neurofeedback.

Czernotta A.; Medikamentöse und nicht medikamentöse ADHS-Therapie bei Kindern und Jugendlichen – Interview mit Dr. Susanne Erb, Kinder- und Jugendpsychiatrische Dienste St. Gallen, ARS Medici Dossier 07/2017, Rosenfluh Publikationen AG

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Höflechner R.; Symptomwandel im Lebensverlauf, CliniCum Neuropsy 01/2016, Medizin Medien Austria GmbH

Kautzky A. et al.; Psychiatrische Komorbiditäten, CliniCum Neuropsy 06/2015, Medizin Medien Austria GmbH

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