Coronavirus
shutterstock.com

Corona Langzeitfolgen – Long Covid

Bezeichnenderweise gibt es noch keinen offiziellen Namen für das Auftreten von Langzeitfolgen nach einer Corona-Infektion - obwohl Millionen Menschen unter ihnen leiden, chronisch müde sind oder ihnen rasch die Luft ausgeht. Die WHO spricht vorerst von einer "Post-Covid-Verfassung", aber auch Begriffe wie post-akutes Covid-Syndrom werden verwendet.

Im Kampf gegen die Corona-Pandemie liegt derzeit das Hauptaugenmerk auf den Impfstoffen und der Erforschung neuer Virus-Varianten. Doch nach Einschätzung vieler Gesundheitsexperten sind Forschungen über die langfristigen Folgen mancher Corona-Infektionen, die unter dem Schlagwort „Long Covid“ zusammengefasst werden, genauso wichtig.

„Long Covid“

Bezeichnenderweise gibt es noch keinen offiziellen Namen für das Auftreten von Langzeitfolgen nach einer Corona-Infektion – obwohl Millionen Menschen unter ihnen leiden, chronisch müde sind oder ihnen rasch die Luft ausgeht. Die WHO spricht vorerst von einer „Post-Covid-Verfassung“, aber auch Begriffe wie post-akutes Covid-Syndrom werden verwendet.

„Es ist ein Zustand, der einer weitergehenden Beschreibung bedarf, ein weitergehendes Verständnis, wie viele betroffen sind und wodurch er verursacht wird“, mahnt auch US-Intensivmedizinerin Janet Diaz, anlässlich einer WHO-Konferenz zum Thema.

Die Risikogruppen

Studien aus Großbritannien und anderen Ländern legen nahe, dass etwa jeder Dritte nach einer Ansteckung mit SARS-CoV-2 noch mindestens einen Monat später unter Symptomen leidet. Während bei der akuten Corona-Infektion alte Menschen und Patienten mit Vorerkrankungen besonders gefährdet sind, stellt sich die Lage bei Long Covid anders dar: Die Langzeitfolgen treffen Menschen mit unterschiedlicher Schwere der Covid-19-Erkrankung und offenbar auch jüngere Menschen, darunter Kinder. An Long Covid leiden sogar Personen, bei denen die Infektion asymptomatisch verlaufen ist. Generell aber zeigt sich, dass Frauen häufiger betroffen sind als Männer und als weitere Risikofaktoren haben sich bestimmte Vorerkrankungen, ein höheres Lebensalter und ein höherer Body-Mass-Index erwiesen.

Studienergebnisse an nicht hospitalisierten Patienten

Ein Team von Ärzten und Epidemiologen der Uni Genf und der Genfer Universitätskliniken (HUG) beobachtete insgesamt 669 Covid-19-Patienten, die nicht im Spital waren. Demnach verspürten 33 Prozent nach sechs Wochen noch immer ein oder mehrere Symptome: 14 Prozent berichteten über Müdigkeit, neun Prozent über Kurzatmigkeit und zwölf Prozent über Geruchs- und Geschmacksverlust. Sechs Prozent litten nach wie vor unter Husten und drei Prozent hatten anhaltende Kopfschmerzen.

In dieser und weiteren Studien wurden auch kognitive und neurologische Beeinträchtigungen genannt: etwa Merkstörungen, Gedächtnisprobleme („Gehirnnebel“) und Wortfindungsstörungen. Symptome wie plötzliches Erbrechen, starker Schwindel, Angst und Depression werden ebenfalls als Langzeitfolgen gewertet. In zahlreichen Studien sollen die Patienten nun weiterhin beobachtet werden, um Aussagen darüber zu gewinnen, was „long“ bei Long-Covid tatsächlich bedeutet.

Zusätzlich zu den physischen Einschränkungen hätten sich die Patienten sehr verunsichert gezeigt, so Studienleiterin Mayssam Nehme vom HUG laut Aussendung der Uni Genf. Sie fragten sich, wann und ob die Symptome wieder abklingen würden. „Auch ohne eine klare medizinische Antwort ist es nach dem heutigen Wissensstand wichtig, besorgte Patienten zu begleiten und ihnen zuzuhören“, so die Medizinerin. Um die Betroffenen besser behandeln zu können, muss auch erforscht werden, ob die Langzeitfolgen durch das Virus selbst ausgelöst werden oder durch die Immunantwort des Körpers auf das Virus.

Die häufigsten Langzeitfolgen auf einen Blick:

Fatigue (extreme Müdigkeit)
Kurzatmigkeit
Husten
Gelenksschmerzen
Schmerzen im Brustbereich

Weitere Symptome inkludieren:

Muskel- und/oder Kopfschmerzen
Schneller Herzschlag (Herzrasen)
Verlust des Geruch- und Geschmackssinns
Gedächtnis- und Konzentrationsprobleme
Schlafstörungen
Rötungen oder Haarverlust

Organspezifische Langzeitfolgen

Zu den Langzeitfolgen zählen auch organspezifische Beeinträchtigungen nach erfolgter SARS-CoV-2-Infektion. Speziell bei Patienten, die hospitalisiert waren oder sogar intensivmedizinisch betreut wurden. Berichtet wird über Schäden an Herz, Lunge und Gehirn. Wie viele Menschen noch Wochen und Monate mit den Langzeitfolgen von Corona zu kämpfen haben, darüber geben Studiendaten derzeit nur beschränkt Auskunft. Schätzungen gehen von zehn bis 20 Prozent aus. Bereits vorhandene Daten hängen auch sehr vom Untersuchungszeitraum und der Art der Symptomerhebung ab.

Aufgrund der häufig diagnostizierten Nachfolgeerkrankungen von Covid-19 und auch auf Druck vieler Patientengruppen wurden in den USA, England und Deutschland (Uniklinik Frankfurt und Jena) inzwischen Ambulanzen eingerichtet, die sich ganz dem Thema „Post-Covid“ widmen. In Österreich bieten einige Reha-Kliniken (z.B. Barmherzige Schwestern Wien; Reha-Zentrum Hochegg) Nachsorgeprogramme für Post-Covid-19 Patienten an. Betroffenen wird hier geholfen, ihren Geruchsinn wiederzuerlangen oder den Atemrhythmus zu trainieren. Angeboten wird meist auch eine psychische Betreuung der Patienten.

Schäden finden sich fast überall

Systematische Untersuchungen an verschiedenen Organen und Geweben zeigen, dass eine Covid-19-Infektion fast überall im Körper Spuren hinterlassen kann. Man spricht von einer multisystemischen Erkrankung. Wobei hier erwähnt werden muss, dass auch andere durch Viren ausgelöste Infektionen Langzeitfolgen zeitigen können. So können Enteroviren Gehirnhautentzündungen auslösen und viele Virenarten Schäden in den Luftwegen verursachen.

Coronaviren hinterlassen ihre Spuren vor allem an Organen, die ACE2-Zellrezeptoren aufweisen, über die sie in Zellen eindringen. Dazu zählen die Lunge, Leber, Bauchspeicheldrüse, Darm oder Niere. Auch in Hoden wurden Viren nachgewiesen, gemeinsam mit einer dadurch verschlechterten Spermienqualität.

Erst Corona, dann Diabetes?

Ärzte berichten auch speziell von jungen Patienten, die nach einer Infektion Störungen des Zuckerstoffwechsels und einen Diabetes mellitus entwickeln. Diese weisen vor der Corona-Infektion keine Vorerkrankungen auf und hatten auch keine genetische Veranlagung dazu. Neueste Untersuchungen dazu demonstrieren, dass sich die Viren in insulinproduzierende Zellen (Langerhans´sche Inseln) der Bauchspeicheldrüse einnisten und Viruspartikel freisetzen, die das insulinproduzierende Gewebe entscheidend verändern. So reduziert sich etwa die Anzahl der Insulin-Granula, in denen Beta-Zellen das Insulin speichern. Das wiederum stört die Ausschüttung dieses lebenswichtigen Hormons.

Bei Autopsien an verstorbenen COVID-19-Patienten zeigte sich, dass selbst nachdem in der Lunge keine Virusproteine mehr zu finden waren, diese in der Bauchspeicheldrüse immer noch nachgewiesen werden konnten.

Dauerhafte Lungenschäden

Nicht immer erholt sich die Lunge von Covid-19: Sind die Lungenbläschen durch die Viren zerstört, kommt es zu Vernarbungen im Gewebe und dieses fällt für den Gasaustausch aus. Da die Lunge als Eintrittspforte für die Viren bei den meisten Patienten betroffen ist, kann es auch bei einem leichten Verlauf und jüngeren Personen zu Kurzatmigkeit kommen, die über längere Zeiträume bestehen kann. Der Sauerstoffmangel schränkt auch die körperliche Leistungsfähigkeit ein. In-vitro-Untersuchungen zeigen schon nach wenigen Stunden deutliche Veränderungen an Lungenzellen. So bilden sich etwa große Hohlräume, die zu einer Funktionseinschränkung und zum Tod dieser Zellen führen können.

Thrombosen als Folge der Infektion

Eine Infektion erhöht auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich Blutzellen verklumpen und sich Blutgerinnsel bilden, sodass es infolge der Infektion zu einer erhöhten Herzinfarkt- und Schlaganfallrate kommt. Es wird angenommen, dass ein Großteil der durch COVID-19 verursachten Herzschäden auf sehr kleine Blutgerinnsel zurückzuführen ist, die winzige Blutgefäße im Herzen blockieren. Andere von Blutgerinnseln betroffene Körperteile sind Lunge, Beine, Leber und Nieren.

Häufig betroffen: das Herz

Herzmuskelentzündungen treten bei Covid-19-Erkrankung im Vergleich zu anderen Viren, deutlich häufiger auf. Dies gefährdet vor allem sportlich aktive Menschen, weil die Entzündung lange unbemerkt bleiben kann.

Bereits im März letzten Jahres berichteten erste Studien, dass ein Drittel der Todesfälle durch eine Kombination aus Atem- und Herzinsuffizienz verursacht worden war. Eine chinesische Untersuchung wies nach, dass von 416 Patienten fast 20 Prozent Schäden am Herz aufwiesen. Diese Ergebnisse kamen jedoch nicht ganz unerwartet, es ist bekannt, dass andere Virusinfektionen wie das Epstein-Barr-Virus und das Coxsackie-Virus Herzschäden bewirken können.

Sobald sich Viren im Herz befinden, können sie auf verschiedene Weise Schaden anrichten, indem sie entweder direkt in die Zellen eindringen und diese zerstören oder Entzündungsreaktionen auslösen, die die Herzfunktion beeinträchtigen. Die Belastung des Körpers durch die Bekämpfung der Viren beeinflusst wiederum das sympathische Nervensystem und bringt es auf Hochtouren – was wiederum den Herzmuskel schwächt. Besonders gefährdet scheinen Personen mit Vorerkrankungen, wie Nieren- oder Lebererkrankungen zu sein. Aber auch die eigene Immunantwort spielt eine Rolle beim Krankheitsverlauf, ebenso wie die anfängliche Viruslast.

Psychische Folgen der Infektion

Auch in Körperregionen, die keinen ACE2-Rezeptor aufweisen, konnten Forschende neurodegenerative Symptome nachweisen. Virale RNA findet sich nämlich auch in der Gehirnflüssigkeit. Dies kann zu Konzentrationsstörungen, Gedächtnisverlust und Schlafproblemen führen. Weitere mögliche Folgen sind Gedächtnisverlust, Hirnblutungen oder Schlaganfälle. Anhand einer kleinen Studie zeigte sich auch, dass bei mehr als 62 Prozent aller untersuchten Personen Veränderungen im Gehirn nachzuweisen waren.

Schäden am Gehirn zeigen sich allerdings auch nach einer Infektion mit Hepatitis-C-Viren, wo ebenfalls mehr als die Hälfte neurodegenerative Symptome zeigen. Ob die beobachteten Symptome, wie ein etwaiger Gedächtnisverlust, direkt durch das Virus oder durch entzündliche Prozesse infolge der Infektion entstehen, müssen weitere Untersuchungen klären.

Nachgewiesen wurde auch eine erhöhte Depressionsrate. Es ist aber denkbar, dass genetische Veranlagung und weitere Faktoren dazu beitragen, dass sich eine Depression manifestiert. Bei Menschen mit schweren COVID-19-Symptomen erhöht auch das Überleben einer Intensivstation-Erfahrung die Wahrscheinlichkeit, später eine Depression, Angstzustände oder eine posttraumatische Belastungsstörung zu entwickeln.

Zu der am häufigsten genannten Nachfolgeerscheinung zählt das anhaltende Erschöpfungssyndrom. Laut einer Studie des US-amerikanischen Centers for Disease Control ist mehr als ein Drittel von nur ambulant behandelten Patienten mit einem moderaten Verlauf auch drei Wochen nach der Diagnose noch nicht wieder fit. Patienten fühlen sich extrem müde und ausgelaugt. Bereits das Verrichten leichter physischer Aufgaben fällt immens schwer und zwingt Betroffene teilweise dazu ihr soziales Leben und auch ihr Arbeitsleben drastisch einzuschränken. In den meisten Fällen erholen sich die Patienten im Laufe der Zeit wieder. Allerdings gibt es Ausnahmen, die es auch nach Monaten nicht schaffen, einfachste körperliche Aufgaben zu verrichten.

Lösen Coronaviren Autoimmunerkrankungen aus?

Diese Frage ist ebenfalls nicht vollständig geklärt. Es besteht aber der Verdacht, dass Autoantikörper, etwa gegen körpereigene Botenstoffe, eine Autoimmunerkrankungen auslösen oder bestehende Erkrankungen verstärken könnten.

Darüber, wie sich eine COVID-19-Erkrankung über noch längere Zeiträume, über Jahre hin auswirken wird, müssen zukünftige Untersuchungen klären. Viele Experten empfehlen daher, auch Menschen nach ihrer Gesundung genau zu überwachen, um weitere Aufschlüsse darüber zu erhalten, wie Organe und Gewebe nach einer Genesung funktionieren.

 

 

 

 

  • Autor

    Dr. Rosalia Rutter

    Medizinjournalistin

    Dr. Rosalia Rutter ist eine freie Medizinjournalistin mit einem Studium der Ernährungswissenschaften und Biochemie an der Universität Wien. Sie verfügt über langjährige Expertise im Verfassen medizinischer Inhalte.

Marshall M: The lasting misery of coronavirus long-haulers; Nature News Feature; 14.9.2020

Nehme M et al.; COVID-19 Symptoms: Longitudinal Evolution and Persistence in Outpatient Settings, Annals of Internal Medicine, 8.12.2020

Robert Koch Institut: Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und Covid-19; Zugriff: 15.2.2021

Medimpressions; Erst Corona, dann Diabetes? 5.2.2021; https://medimpressions.at/erst-corona-dann-diabetes/

National Institue for Health Research, Living with Covid19 2020 (last update 15.10.2020); https://evidence.nihr.ac.uk/themedreview/living-with-covid19/

APA Pressemeldung 2.2.2021; WHO Expertin: Bei Corona-Forschung Langzeitfolgen nicht vergessen

APA Pressemeldung 9.12.2021; Jeder dritte Patient weist Long Covid-Symptome auf

Ruan Q. et al.: Clinical predictors of mortality due to COVID-19 based on an analysis of data of 150 patients from Wuhan, China; Intensive Care Medicine 2020;46:846

Shi S et al.: Association of cardiac injury with mortality in hospitalized patients with COVID-19 in Wuhan, China; JAMA 2020;5(7):802

Quarks; So häufig sind Langzeitfolgen bei einer Corona-Infektion; 26.1.2021

Mayo Clinic; COVID-19 (coronavirus): Long-term effects; Zugriff 17.2.2021

Das könnte Sie auch interessieren
Die wichtigsten Allergene

Die 14 wichtigsten Allergene bei Nahrungsmittelallergie

Nahrungsmittelallergien sind weit verbreitet und können das Leben der Betroffenen erheblich beeinflussen.

Baby erhält die Meningokokken-Impfung von einer Ärztin

Meningokokken-Impfung

Die Meningokokken-Impfung schützt vor einer Infektion durch bestimmte Untergruppen der Meningokokken-Bakterien, die schwere Krankheiten wie Gehirnhautentzündung und Blutvergiftung auslösen können. Diese Erkrankungen können mit ernsthaften Komplikationen verbunden sein.

Baby bekommt eine Rotavirus Schluckimpfung

Rotavirus-Impfung

Die Rotavirus-Impfung ist eine Schluckimpfung, die gegen eine Infektion mit Rotaviren schützt. Rotaviren sind die häufigste Ursache für virale Durchfallerkrankungen bei Säuglingen und Kleinkindern.