Reizdarmsyndrom
Dr. Corinna Geiger

Behandlung des Reizdarmsyndroms

Für das Reizdarmsyndrom gibt es einige Behandlungsoptionen. Sie reichen von der Durchführung entsprechender Diäten bis hin zu medikamentösen Therapien. Doch was hilft wirklich? Und: kann man das Reizdarmsyndrom auch auf Dauer loswerden? Die Antworten darauf kennt Internistin und Gastroenterologin Dr. Corinna Geiger.

Dr. Corinna Geiger ist Internistin, Gastroenterologin und Hepatologin im ersten Wiener Gemeindebezirk. Als Fachärztin für Innere Medizin hat sie sich auf komplexe Beschwerdebilder und die Vorbeugung, die genaue Abklärung und ganzheitliche Behandlung von Störungen und Erkrankungen der inneren Organe spezialisiert, wobei die Betreuung von Patienten mit Magen-Darm-Beschwerden, Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Erkrankungen des Verdauungssystems seit vielen Jahren einen besonderen Schwerpunkt ihrer Arbeit darstellt.

Welche Rolle spielt die Ernährung beim Reizdarmsyndrom?

Dr. Corinna Geiger: Hier ist es immer ganz wichtig, dass die Leute verstehen, dass Ernährung bedeutet, dass sie ihre Darmflora und damit die Entzündungsbotenstoffe, die im Darm entstehen oder nicht entstehen beeinflussen können. Sie können tatsächlich auch die Schmerzwahrnehmung beeinflussen und es gibt verschiedene Ernährungskonzepte die bei Reizdarmsyndrom erprobt sind.

Das Bekannteste ist diese Fodmap-Diät. Fodmap steht für fermentierbare Oligiosaccharide, sowie Zucker und Alkohol. Letztendlich sind es kleine Zucker die von Bakterien gerne zu Gärungsprozessen ganz gerne herangezogen werden und wenn man die aus der Ernährung weglässt ist die Idee, dass es den Leuten besser geht. Wir haben hierbei auch einen Nachteil, unsere Laktobazillen und die Bakterien hängen wesentlich von diesen Fodmaps ab, das heißt wenn man diese zu lang weglässt, kann es sein dass meine Darmflora an Bifidobakterien und Laktobazillen wieder verarmt, deswegen empfiehlt man das normalerweise einerseits unter diätologischer Begleitung zu machen und andererseits nicht länger als 6 Wochen. Dann sollte man versuchen möglichst viele Lebensmittel wieder zu reintegrieren. Was wir zusätzlich von anderen Patienten wissen, also von Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen zum Beispiel, ist, dass unser Darm eigentlich ganz gut weiß, welche Darmflora er braucht.

Also so eine Art Ur Darmflora scheint irgendwie gespeichert zu sein und wir können mit der richtigen Ernährung dafür sorgen, dass die wieder richtig wächst. Und dazu gehören eben möglichst gute Eiweiße, möglichst wenig tierisches Fett und ansonsten eine sehr vielfältige Ernährung. Das ist mir auch immer ganz wichtig. Wenn wir von einer gesunden Darmflora sprechen, sprechen wir von einer Darmflora, die möglichst divers ist, also möglichst vielen verschiedenen Darmbakterien besteht, weil ja auch jedes Bakterium ein Stoffwechselspezialist für einen bestimmten Vorgang ist. Und wie in jeder guten Firma will man für alles einen Spezialisten haben. Das ist ganz egal, welcher Auftrag da reinkommt, es geht sich aus. Und genauso wollen wir es in unserem Darm auch haben. Jetzt kann man sich überlegen – diese Spezialisten muss man füttern, sonst sterben die schlichtweg ab.

Für viele klingt das einfacher als es ist?

Dr. Corinna Geiger: Was bei vielen Patientinnen und Patienten leider passiert ist, dass sobald nach einem Lebensmittel Blähungen oder Beschwerden entstehen, fangen die an, diese Lebensmittel wegzulassen in der Annahme, dass vertrage ich nicht. Wenn es sich aber um funktionelle Darmbeschwerden handelt, also zum Beispiel einfach nur, dass der Darm zu langsam ist und zu träge, dann können auf extrem viele Lebensmittel Blähungen entstehen, ohne dass das irgendwas damit zu tun hat, dass man diese Lebensmittel nicht vertragen würde, also nicht verdauen kann.

Und wir nehmen uns damit Spezialisten weg, indem wir so viele Lebensmittel weglassen und das macht die Darmflora nach und nach eigentlich schlechter. Also ich kann Exklusionsdiäten, wo man sehr viele Dinge weglässt, immer nur nach ärztlicher oder diätologischer Rücksprache empfehlen. Damit das kontrolliert passiert und dass man eben aufpasst, dass die Darmflora keinen Schaden nimmt.

Welche Medikamente kommen beim Reizdarmsyndrom zum Einsatz?

Dr. Corinna Geiger: Das kommt jetzt ganz darauf an, wie die Symptome sind. Wir unterscheiden ja bereits nach Schmerztyp, also vor allem Blähungen in dem Fall. Dann gibt es den Obstipations-Typ , also die, die eine Verstopfung haben, und dann gibt es Diarrhoe-Typ, also das sind die Patientinnen und Patienten, die vor allem unter zu weichen, breiigen Stuhlgängen bis zu Durchfällen neigen und das muss man auch entsprechend symptomatisch auch anders therapieren. Die Idee hinter der Therapie ist ein bisschen, dass man mit der symptomatischen Therapie dafür sorgt, dass wieder eine entspanntere Situation herrscht. Also dass die Leute merken, ich kann was tun.

Das entspannt das ganze System und sorgt dafür, dass dann auch wieder eine Re-Regulierung stattfinden kann, also dass der Körper eigentlich auch wieder lernen kann, ganz normal zu funktionieren. Das ist ein bisschen die Idee und unterstützen kann man das natürlich dann begleitend mit Entspannungsübungen, Muskelrelaxation, auch Ausdauersport zum Beispiel ist super, um Stress abzubauen beziehungsweise um den Darm einfach durchzubewegen, weil unser Darm ja auf den Hüftbeugemuskel draufliegt und mit jedem Schritt, den ich gehe, wird das dann ein bisschen angeschubst, dass er vorwärts tut.

Das ist auch ein ganz wichtiges Thema und wo wir jetzt alle 18 Stunden im Büro sitzen, umso wichtiger. Und medikamentös muss man es dann eben, wie gesagt, aufteilen. Da gibt es für die verstopfungsbetonten Leute immer 2 Schrauben, an denen man drehen kann. Das ist einerseits die Stuhlkonsistenz. Die Annahme ist, dass wenn ein Stuhl weich ist, dass er dann auch durch einen trägen Darm leichter durchgeht. Und da haben wir einerseits die Möglichkeit, das mit Ballaststoffen zu machen oder eben einfach Medikamente zu geben, die die Stuhlkonsistenz weicher machen.

Da gibt es unterschiedliche, das muss man dann im Gespräch klären, welches passend ist und welches vertragen wird, wird auch nicht immer von jedem dasselbe Medikament vertragen. Und dann gibt es die zweite Schraube an der man drehen kann, das ist die Magendarmmotorik. Also man kann dafür sorgen, dass man sogenannte Propulsiver gibt, die einfach die Motorik verstärken und damit zu einer regelmäßigen Stuhlentleerung führen und das sollte dann eben auch die Beschwerden normalerweise noch verbessern.

Das ist die eine Sache. Die schwierigsten Patienten zu behandeln sind die Blähungspatienten, die vor allem Schmerzen haben. Wobei, da ist es mir wichtig, noch einmal zu betonen, dass man sich immer die Motorik vorher anschauen muss. Also ich mache zum Beispiel gerne eine sogenannte Kolontransitzeitmessung, bei der man feststellt, wie lang die Nahrung jetzt wirklich durch einen durch brauchte. Auch wenn ich einen täglichen Stuhlgang habe und einen sehr, sehr langen Darm habe und es ist bei vor allem Frauen gar nicht so selten der Fall, kann es sein, dass die einmal am Tag Stuhlentleerung zu wenig ist und die Blähungen und die Gärungsprozesse, vor allem dadurch entstehen, dass der Stuhlgang praktisch 3 Tage in uns liegt und dann macht die beste Darmflora auf der Welt vor allem Gase daraus. Sie freut sich darüber.

Das heißt immer erst an der Motorik einmal schauen, ob das alles passt und wenn die passt, dann kann man sich um die Blähungen kümmern. Und man muss sagen, bei den Blähungen gibt es dann wieder ganz viele verschiedene Dinge, die man tun kann. Es sind alles letztendlich Medikamente, die entweder den Darm entkrampfen, entspannen, dass es weniger weh tut. Das sind so diese Pfefferminzöl, Kümmelöl – Kapseln. Dann gibt es eben die klassischen, die kennen alle, diese Antiflat – Tropfen, die ein Entschäumer sind, damit Gasblasen kleiner werden, dann gibt’s die Möglichkeit je nachdem wo die Blähungen lokalisiert sind, also Oberbauch, Unterbauch, stattdessen Kapseln zu verwenden, die erst ein bisschen tiefer aufgehen, dass man den Wirkstoff dort hinbringt. Solche Dinge sind wichtig, und die Ernährung ist auch ein wichtiges Thema bei den Blähungen. Da muss man recht genau daran arbeiten.

Was ist das Wichtigste im Umgang mit der Erkrankung?

Dr. Corinna Geiger: Ich glaube, das Wichtigste ist, dass man den Körper so akzeptiert wie er ist, denn ändern kann ich es jetzt im Moment eh nicht. Also das heißt, ich tu mir doch leichter, das hinzunehmen und zu sagen, ja dann ist es jetzt halt so und dann kann man sich viel mehr entspannen, statt dass man sich einen, ich sag jetzt mal, Optimierungszwang unterwirft und sagt, der Stuhlgang muss jetzt wirklich jeden Morgen um 9:00 Uhr geformt sein. Das muss er überhaupt nicht, das ist bei uns allen nicht so und es ist völlig normal, dass man Schwankungen hat. Natürlich hat man mit einem Reizdarmsyndrom mehr von diesen Schwankungen, aber auch das sind Schwankungen, die wieder besser werden können. Das heißt ein bisschen Gelassenheit, auch wieder Vertrauen in dem eigenen Körper zu fassen, das ist total wichtig.

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