Kieferorthopädie
Foto:Marian Weyo|shutterstock

Kieferorthopädie

Die Kieferorthopädie ist ein Teilbereich der Zahnheilkunde, der sich mit der Diagnose, Behandlung und Prävention von Zahn- und Kieferfehlstellungen befasst. Fehlstellungen von Zähnen und Kiefer sind meist nicht nur ein ästhetisches Problem, sondern können die gesamte Mundgesundheit und andere Bereiche der Gesundheit beeinträchtigen.

Factbox – Kieferorthopädie

Definition: Teilbereich der Zahnheilkunde, der sich mit der Diagnose, Behandlung und Prävention von Zahn- und Kieferfehlstellungen befasst.

Teilbereiche: Funktionskieferorthopädie (FKO), Dentofaziale Orthopädie, Orthodontie, Chirurgische Kieferorthopädie

Diagnoseverfahren: Röntgen, ggf. Wachstumsdiagnostik, Abdrücke

Behandlung: festsitzende Zahnspange, herausnehmbare Zahnspange

Was versteht man unter Kieferorthopädie?

Unter Kieferorthopädie versteht man einen Teilbereich der Zahnheilkunde, der sich mit der Diagnose, Behandlung und Prävention von Zahn- und Kieferfehlstellungen befasst. Innerhalb dieses Gebiets der Zahnmedizin unterscheidet man zwischen der kieferorthopädischen Zahnregulierung bei Kindern und Jugendlichen und jener bei Erwachsenen.

Von Zahn- und Kieferfehlstellungen ist laut wissenschaftlichen Untersuchungen eine von zwei Personen oder mehr betroffen. Schon im Alter von zehn Jahren weisen rund zehn Prozent der Kinder Anomalien mittleren Grades auf. Rund 30 Prozent leiden unter ausgeprägten Anomalien und etwa fünf Prozent unter schweren Fehlstellungen.

In jedem Fall kann sich durch eine kieferorthopädische Behandlung die Beiß- und Kaufähigkeit des Patienten verbessern. Auch die Reinigung der Zähne wird erleichtert und in vielen Fällen lassen sich Zahn- und Kiefergelenkerkrankungen vermeiden.

Zu eng oder zu schief stehende Zähne können die Sprech- und Kaufunktion sowie die ganze Mundgesundheit und auch andere Bereiche der Gesundheit negativ beeinflussen. Das beginnt bei Reinigungsproblemen, die unter anderem zu Karies und Parodontitis führen können, und geht bis zur möglichen Entstehung von Zahntraumen (Verletzungen von einem oder mehreren Zähnen, wobei auch Knochen, Zahnfleisch, Lippe oder Zunge beteiligt sein können).

Zudem können Zahn- und Kieferfehlstellungen stigmatisierend sein und in Folge die psychische Gesundheit Betroffener beeinträchtigen.

Instrumente, die in der Kieferorthopädie zum Einsatz kommen, sind zum Beispiel herausnehmbare oder festsitzende Zahnspangen, durchsichtige Zahnschienen (Aligner) oder Retentionsgeräte, die das erzielte Ergebnis sichern, damit die Zähne nicht wieder in die ursprüngliche Position zurückwandern.

Was macht ein Kieferorthopäde?

Ein Zahnarzt, der sich auf Kieferorthopädie spezialisiert hat, beschäftigt sich mit der Prophylaxe von Fehlentwicklungen und Korrekturen von unregelmäßigen oder gestörten Gebissentwicklungen. Er oder sie behebt Zahnfehlstellungen und sorgt dafür, dass schiefe oder eng stehende Zähne wieder in den Zahnbogen eingeordnet werden. So lassen sich Fehlentwicklungen des Gebisses ausgleichen.

Dafür bekommt jeder Patient einen individualisierten Behandlungsplan und die Apparaturen, die zum Einsatz kommen (festsitzende und herausnehmbare Zahnspangen), werden ebenfalls individuell angefertigt.

Zudem ist ein Kieferorthopäde auch Ansprechpartner für Sportlerinnen und Sportler. Er fertigt für jeden, der das benötigt, einen individuellen Mundschutz aus Silikon zum Schutz vor Zahn- und Mundverletzungen beim Sport an.

Manche Kieferorthopäden arbeiten mit anderen Fachärzten zusammen. Das kann zum Beispiel ein Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde sein, der einen Patienten bezüglich einer Schnarchtherapie behandelt. Der Kieferorthopäde passt dann bei Bedarf Schnarchschienen für die Patienten an.

Was ist der Unterschied zwischen Zahnarzt und Kieferorthopäde?

Kieferorthopäden sind immer auch Zahnärzte und jeder Kieferorthopäde hat auch ein Zahnarztstudium absolviert. Während der Zahnarzt Erkrankungen der Zähne, Zahnhälse, Mund und Mundschleimhaut behandelt, befasst sich der Kieferorthopäde mit der Prophylaxe, Diagnose und Behandlung von Zahn- und Kieferfehlstellungen.

Seit 2022 gibt es auch in Österreich den Beruf des „Fachzahnarztes für Kieferorthopädie“ nach europarechtlichen Vorgaben. Dieser Facharzt muss seither nach seinem Zahnmedizinstudium eine fachzahnärztliche Ausbildung in der Kieferorthopädie nachweisen.

Welche Teilbereiche der Kieferorthopädie gibt es?

Die Kieferorthopädie wird in vier Fachbereiche eingeteilt:

  1. Funktionskieferorthopädie (FKO): Sie fokussiert sich auf die funktionellen Abläufe im Kiefer und versucht, die skelettalen Strukturen positiv zu beeinflussen. Dafür kommen sogenannte funktionskieferorthopädische Geräte zum Einsatz. Sie wirken passiv und fast drucklos im Mund, ohne selbst Kraft auszuüben. Dadurch soll sich das muskuläre Funktionsmuster ändern und das funktionelle Gleichgewicht auf natürliche Weise stabilisiert werden.
  2. Dentofaziale Orthopädie: Sie hat das Ziel, das Wachstum des Unter- und Oberkiefers zu fördern, um Anomalien zu korrigieren. Dabei werden Geräte eingesetzt, die mit größeren Kräften auf den Unter- und Oberkiefer einwirken. Der Druck, der dabei entsteht, soll das Wachstum des Kiefers verändern, sodass die Anomalie korrigiert wird.
  3. Orthodontie: Das ist die Korrektur von Anomalien der Zähne mit speziellen Hilfsmitteln, durch die die Zähne bewegt werden. Das bekannteste davon ist die Zahnspange.
  4. Chirurgische Kieferorthopädie: Sie behebt Anomalien durch operative Eingriffe.

Welche Ursachen haben Zahn- und Kieferfehlstellungen?

Manche Gebissfehlbildungen, wie etwa nicht angelegte Zähne, haben eine genetische Ursache. Auch ein Über- oder Unterbiss ist häufig vererbt, aber zum größten Teil sind Zahn- und Kieferfehlstellungen von Fehlfunktionen verursacht. So ist zum Beispiel der offene Biss häufig eine Folge intensiven Daumenlutschens. Weitere mögliche Ursachen für Zahn- und Kieferfehlstellungen sind der vorzeitige Verlust von Milchzähnen und Verletzungen oder Erkrankungen des Knochens.

Welche Diagnoseverfahren gibt es in der Kieferorthopädie?

Vor der Behandlung wird ein Panorama-Röntgen von Gebiss und Kieferknochen gemacht. Damit kann der Kieferorthopäde Details wie etwa querliegende Zähne oder krankhafte Veränderungen wie Zysten oder überzählige Zähne erkennen.

Bei Kindern wird zusätzlich eine Wachstumsdiagnostik gemacht. Das ist eine Röntgen-Aufnahme des Schädels, an der sichtbar wird, wie das weitere Kieferwachstum verläuft. Auch Anomalien können damit gut beurteilt werden.

Manchmal wird auch ein Röntgen der Hand aufgenommen, den der Verknöcherungszustand der Gelenkfugen gibt ebenfalls Aufschluss über das weitere Wachstum.

Zudem werden Abdrücke von Ober- und Unterkiefer genommen. Das daraus entstehende Modell hilft bei der Befunderhebung und der Beurteilung des Therapiefortschritts.

Was zählt zu kieferorthopädischen Behandlungen?

Kieferorthopäden überprüfen in laufenden Untersuchungen, ob sich das Gebiss eines Kindes oder Jugendlichen gut und richtig entwickelt. Dabei geht es vor allem um die Stellung der Milchzähne, Lücken im Gebiss und die Entwicklung des Übergangsgebisses.

Wenn Zahn- und Kieferfehlstellungen vorliegen, die behandelt werden müssen, so werden, je nach Befund, festsitzende oder herausnehmbare Zahnspangen verwendet. (Zahnspange für Kinder, Zahnspange für Erwachsene)

Wann soll man eine kieferorthopädische Behandlung durchführen lassen?

Meistens wird eine kieferorthopädische Behandlung im Kindesalter durchgeführt, sie kann aber auch im Erwachsenenalter stattfinden. Der ideale Behandlungszeitpunkt wird von den Experten bei den verschiedenen Fehlstellungen kontrovers diskutiert. Einig ist man sich darin, dass die Behandlung im Kindesalter meist effizienter und weniger belastend und aufwendig ist. Die Behandlung kann entweder im Milchgebiss oder im frühen Wechselgebiss (Frühbehandlung), im späten Wechselgebiss (Regelbehandlung) oder erst dann, wenn alle bleibenden Zähne vollständig vorhanden sind (Spätbehandlung), stattfinden.

Welche Komplikationen und Risiken kann es geben?

Bei einer kieferorthopädischen Behandlung gibt es nur sehr selten Probleme. Wenn sie doch auftreten, so handelt es sich um folgende Komplikationen:


Entkalkung und Karies
Das ist die häufigste Komplikation. Sie entsteht aber nur dann, wenn die Zähne
über längere Zeit nicht geputzt werden.
Eine gute Mundhygiene ist daher eine wichtige Voraussetzung
für eine kieferorthopädische Behandlung.
Parodontale VeränderungenAuch Zahnfleisch-Entzündungen können durch mangelhafte Mundhygiene entstehen.
RückfälleJe mehr ein Zahn bewegt wird, desto größer ist auch die Gefahr, dass er in seine alte Position zurückwandert. Wichtig ist daher, den Anweisungen des Kieferorthopäden zu folgen.
ZahnlockerungenWährend der Behandlung ist es normal, dass die Zähne leicht beweglicher sind. Nach der Bewegung durch die Behandlung werden sie in der Regel wieder fest.
Überempfindlichkeit an Zähnen und WeichteilenDas kann besonders am Anfang der Behandlung durch Brackets oder Attachements passieren, gibt sich aber im Normalfall bald wieder.
Verkürzung von ZahnwurzelnBei großen Bewegungen von Zähnen können manchmal zu hohe Kräfte auf die Zahnwurzeln wirken. Dadurch kann es zu einer Verkürzung der Zahnwurzeln kommen.
Verschlucken
oder Einatmen von Brackets, Bändern und Drahtteilen
Das ist eine sehr seltene Komplikation. Beim Verschlucken löst sich das Problem meist auf natürliche Weise. Hat man aber Gegenstände eingeatmet, so muss man sofort zum Arzt.

Kiefergelenkbeschwerden
Wenn bei einer starken Fehlstellung auch eine Gelenkveränderung vorliegt, kann diese sich während der Behandlung verstärken. Der Kieferorthopäde kann das Problem aber beseitigen.
Kein BehandlungserfolgDas passiert, wenn der Patient die Zahnspange nicht wie vorgeschrieben trägt. Aktive Mitarbeit ist das probate Gegenmittel.

FAQ

Die Kosten für eine Zahnspange sind von der Schwere und der Behandlungsdauer abhängig und reichen von € 1.100 (herausnehmbare Zahnspange) bis zu € 5.900 (Invisalign© – Aligner-Therapie) pro Behandlungsjahr.

In Österreich gibt es für Kinder und Jugendliche die Gratis-Zahnspange, bei der die Kosten von der Kasse übernommen werden. Manche Krankenkassen zahlen unter bestimmten Voraussetzungen auch Zuschüsse für Zahnspangen im höheren Alter. Kieferchirurgische Eingriffe werden in der Regel von der Kasse übernommen.

Nach ausführlicher Anamnese und Diagnose wird die Behandlung mit Zahnspangen eingeleitet. Das dauert, je nach Ausgangslage, von mehreren Monaten bis zu drei Jahren, denn Zahnspangen arbeiten mit sanftem Druck und die Korrektur soll nicht zu schnell vonstattengehen, da sonst die Zahnwurzeln geschädigt werden könnten.

Studien haben gezeigt, dass kieferorthopädische Behandlungen das Gesundheitsbewusstsein der Patienten und ihre Zahngesundheit deutlich verbessern. Außerdem haben Menschen mit dem richtigen Biss deutlich seltener Kopfschmerzen, Nacken- und Rückenschmerzen, Tinnitus und Gelenkprobleme.

  • Autor

    Mag. Gabriele Vasak

    Medizinjournalistin

    Gabriele Vasak ist seit 2019 freie Journalistin in der DocFinder-Redaktion. Ihr besonderes Interesse liegt schon lange im Bereich der medizinischen Contentproduktion. Im Jahr 2006 wurde sie mit dem Medienpreis für Gesundheitsförderung & Prävention des Fonds Gesundes Österreich ausgezeichnet, und im Jahr 2010 erhielt sie den Pressepreis der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie.

Das könnte Sie auch interessieren
Die wichtigsten Allergene

Die 14 wichtigsten Allergene bei Nahrungsmittelallergie

Nahrungsmittelallergien sind weit verbreitet und können das Leben der Betroffenen erheblich beeinflussen.

Baby erhält die Meningokokken-Impfung von einer Ärztin

Meningokokken-Impfung

Die Meningokokken-Impfung schützt vor einer Infektion durch bestimmte Untergruppen der Meningokokken-Bakterien, die schwere Krankheiten wie Gehirnhautentzündung und Blutvergiftung auslösen können. Diese Erkrankungen können mit ernsthaften Komplikationen verbunden sein.

Baby bekommt eine Rotavirus Schluckimpfung

Rotavirus-Impfung

Die Rotavirus-Impfung ist eine Schluckimpfung, die gegen eine Infektion mit Rotaviren schützt. Rotaviren sind die häufigste Ursache für virale Durchfallerkrankungen bei Säuglingen und Kleinkindern.