Kieferklemme und Kiefersperre
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Kieferklemme und Kiefersperre

Kiefersperre und Kieferklemme sind Störungen des Kieferschlusses. Bei einer Kieferklemme kann der Mund nicht mehr geöffnet werden. Bei einer Kiefersperre ist der Kieferschluss behindert oder nicht ausführbar. Der Mund lässt sich nicht mehr richtig schließen. Die Ursachen sind vielfältig, aber die Störungen sind behebbar.

Zusammenfassung

Factbox – Kiefersperre und Kieferklemme

Definition: Störungen des Kieferschlusses

Ursachen: Kiefersperre: Kiefergelenkarthrose, Luxation, Kieferbrüche, Schwellungen der Mundschleimhaut und des Bindegewebes, postoperativer Zustand nach Weisheitszahn-OP, psychische Ursachen; Kieferklemme: Entzündungen im Mund- und Kieferbereich, Krämpfe der Kaumuskulatur,Vernarbungen der Kaumuskulatur, Diskusverlagerung, Kiefergelenksbruch, Betäubungsspritze im Unterkiefer, Zähneknirschen und -pressen

Symptome: Kiefersperre: Mund lässt sich nicht mehr normal schließen, Kieferschluss nicht oder nur sehr langsam und schmerzhaft möglich; Kieferklemme: eingeschränkte oder völlig fehlende Fähigkeit, den Mund zu öffnen.

Diagnose: anhand des klinischen Erscheinungsbildes, ggf. Röntgen, 3D Röntgen

Behandlung: Kiefersperre: Hippokrates-Handgriff, Botulinumtoxin-Injektionen, Eigenbluttherapie; Kieferklemme: Medikamente (schmerzlindernd, antientzündlich, antiepileptisch, Muskelrelaxantien, Neuroleptika), Aufbiss- und Repositionsschienen, Zahnspange, Botulinumtoxin-Injektionen, Physikalische Therapiemethoden, Operation

Was ist eine Kiefersperre?

Unter einer Kiefersperre versteht man eine Störung des Kieferschlusses. Dabei kann das Schließen des Kiefers nur beeinträchtigt sein oder gar nicht mehr funktionieren. In letzterem Fall steht der Kiefer ständig offen und keine Kraftanstrengung reicht aus, um den Mund wieder zu schließen.

Was ist eine Kieferklemme?

Eine Kieferklemme ist das „Gegenteil“ einer Kiefersperre. Bei einer Kieferklemme kann der Mund nicht mehr geöffnet werden. Der Kieferschluss ist behindert oder nicht ausführbar. Die Blockade entsteht in der Regel durch eine Fehlfunktion des Kiefergelenks oder der Muskulatur sowie als Reflex auf Schmerzen bei dem Versuch, den Mund zu öffnen.

Die Symptomatik der Kieferklemme wird in drei Schweregrade eingeteilt:

  • Grad I: Hier liegt nur eine minimal eingeschränkte Mundöffnung vor.
  • Grad II: Hier kann der Mund nur ca. zehn Millimeter geöffnet werden.
  • Grad III: Hier kann der Mund nur mehr knapp einen Millimeter geöffnet werden.

Außerdem wird die Kieferklemme auch noch in eine einseitige (unilaterale) und eine zweiseitige (bilaterale) differenziert.

Welche Ursachen gibt es?

Kiefersperre

Eine Kiefersperre kann vielfältige Ursachen haben. Meist ist das Kiefergelenk selbst der Ursprung des Problems. Bei älteren Patienten wird die Kiefersperre zum Beispiel oft durch eine Kiefergelenkarthrose ausgelöst. Dabei handelt es sich um eine Verschleißerkrankung des Gelenks, die durch Abnutzung entsteht. Zu den weiteren Ursachen zählen:

  • Luxation: Das ist eine Verrenkung des Kiefergelenks, bei der der Kiefergelenkkopf ruckartig aus dem Gelenk springt. Passieren kann das u.a. bei einer übermäßigen Mundöffnung wie zum Beispiel beim Gähnen.
  • Kieferbrüche: Wenn abgebrochene Elemente den Kiefer aufsperren kann es sein, dass das normale Schließen des Mundes nicht mehr möglich ist.
  • Schwellungen: Sehr selten können Schwellungen der Mundschleimhaut und des Bindegewebes nach einer Regionalanästhesie im Kieferbereich oder Schwellungen im Rahmen von Abszessen im Kieferbereich zu einer Kiefersperre führen.
  • Postoperativer Zustand nach Weisheitszahn-OP: Kann sehr selten zur Unfähigkeit, den Kiefer zu schließen, führen.
  • Psychische Ursachen: Hier gibt es einen engen Zusammenhang mit Erkrankungen des Kiefergelenks. Stress und Belastungen führen oft zum Zähneknirschen, was sich auf den Kiefer überträgt, sodass der Kiefergelenkkopf herausspringen kann.

Kieferklemme

Die Ursachen für eine Kieferklemme sind ebenfalls vielfältig. In den meisten Fällen sind für die Entstehung einer Kieferklemme die Muskulatur, das Kiefergelenk selbst oder die Nerven des Kiefers verantwortlich. Mögliche Auslöser sind:

  • Entzündungen im Mund- und Kieferbereich (z.B. bei Durchbruch eines Weisheitszahns)
  • Krämpfe der Kaumuskulatur (z.B. bei Epilepsie, Tetanus, Gehirnhautentzündung, Durchbruch des der Weisheitszähne usw.)
  • Vernarbungen der Kaumuskulatur (z.B. nach Operation oder Bestrahlung)
  • Diskusverlagerung (= „Bandscheibenvorfall“ im Kiefergelenk)
  • Erkrankungen des Kiefergelenks (z.B. bei Arthrose, Tumoren usw.)
  • Kieferbruch (wenn Knochenfragmente die Beweglichkeit des Unterkiefers beeinträchtigen)
  • Betäubungsspritze im Unterkiefer
  • Zähneknirschen und -pressen (bei Stress, psychischen Erkrankungen)

Welche Symptome treten auf?

Kiefersperre

Der Mund lässt sich nicht mehr normal schließen und der Kieferschluss ist nicht oder nur sehr langsam und schmerzhaft möglich. Sprechen und Essen wird schwierig. Wenn man versucht, den Mund zu schließen, treten in der Regel starke Schmerzen auf, die vor allem die Kiefermuskulatur betreffen. Diese kann man einseitig oder beidseitig spüren und sie strahlen typischerweise in den Hals- und Ohrenbereich aus.

Kieferklemme

Das Hauptsymptom ist die eingeschränkte oder völlig fehlende Fähigkeit, den Mund zu öffnen. Auch hier sind Essen und Sprechen stark beeinträchtigt. Beim Versuch, den Mund doch zu öffnen, kann es zu Schmerzen kommen.

Wie wird die Diagnose gestellt?

Kiefersperre

Die Diagnose der Kiefersperre wird anhand des klinischen Beschwerdebildes gestellt. Zum Einsatz kommen eine ausführliche Anamnese sowie eventuell ein Röntgen oder 3D-Röntgen, wenn Brüche oder Kiefergelenkluxationen vorliegen.

Kieferklemme

Die Diagnose der Kieferklemme wird ebenfalls in erster Linie anhand des klinischen Erscheinungsbildes gestellt. Meist berichten Patienten auch selbst, dass sie den Mund nicht mehr so weit öffnen können wie sonst. Für die Diagnose der genauen Ursache kommen eine ausführliche allgemeine Untersuchung, Röntgen oder 3D-Röntgen zum Einsatz.

Wie erfolgt die Behandlung?

Kiefersperre

Bei einer Kiefersperre wendet der Arzt häufig den sogenannten Hippokrates-Handgriff an. Er dient dazu, das Kiefergelenk wieder einzurenken. Dabei werden der oder die herausgesprungenen Gelenkköpfe wieder in die richtige Position gebracht, indem der Arzt den Unterkiefer leicht nach unten und nach vorne zieht, ihn geraderichtet und dann in seine normale Position zurückdrückt, bis der oder die Gelenkköpfe wieder in den Gelenkpfannen einrasten. Patienten, die öfter unter einer Kiefersperre leiden, können diesen Handgriff auch selbst erlernen und anwenden. Grundsätzlich sollte das der Zahnarzt tun.
Wenn diese manuelle Behandlung – zum Beispiel bei länger andauernder oder immer wiederkehrender Kiefergelenkluxation – erfolglos ist, können auch andere Methoden angewendet werden. Dazu zählen u.a. Botulinumtoxin-Injektionen oder Eigenbluttherapien.

Kieferklemme

Die Kieferklemme wird, je nach auslösender Ursache, unterschiedlich behandelt:

  • Schmerzlindernde und antientzündliche Medikamente: Sie helfen bei lokalen, entzündlichen Veränderungen der Kaumuskulatur.
  • Aufbiss- und Repositionsschienen: Sie verringern die mechanische Belastung im Gelenk und führen zu einer dauerhaften Entlastung. Die Besserung der Symptomatik erfolgt schrittweise.
  • Zahnspange: Wenn Kieferfehlstellungen zur Kieferklemme führen, kann eine Zahnspange helfen.
  • Muskelrelaxantien: Medikamente, die die Muskulatur entspannen. Sie helfen, wenn Muskelkrämpfe (z.B. bei Epilepsie) die Hauptursache für die Kieferklemme sind. Oft kommen bei Epilepsie oder anderen neurologischen Erkrankungen auch antiepileptische Medikamente und Neuroleptika zum Einsatz.
  • Botulinumtoxin-Injektionen: Wenn andere Medikamente versagen, kann dieser Wirkstoff dabei helfen, Schmerzen, Krämpfe und Verspannungen zu verbessern.
  • Physikalische Therapiemethoden: Wärme- oder Kälteanwendungen, Ultraschall, Infrarotlicht und Massagen können Verspannungen verbessern und Muskelgruppen aktivieren, die für das richtige Kauen und Beißen wichtig sind.
  • Operation: Wenn ein Unfall, ein Trauma, Knochenbrüche oder Verletzungen im Kieferbereich vorliegen, kommen verschiedene Arten von operativen Eingriffen infrage.

FAQ

Die Symptomatik beider Bewegungseinschränkungen des Kiefergelenks kann Minuten, Monate oder sogar Jahre andauern. Bei fachgerechter Behandlung ist aber vor allem die Kiefersperre rasch behoben.

Bei einer Kiefersperre wendet der Arzt häufig den sogenannten Hippokrates-Handgriff an. Er dient dazu, das Kiefergelenk wieder einzurenken. Patienten, die öfter unter einer Kiefersperre leiden, können diesen Handgriff auch selbst erlernen und anwenden. Grundsätzlich sollte das aber der Arzt tun.
Zur Vorbeugung kann man der Verkrampfung oder Abnutzung der Kiefergelenke entgegenwirken, indem man einen gesunden Lebensstil und eine gute Körperhaltung pflegt und Stress nach Möglichkeit vermeidet.

Wenn die Symptomatik immer wieder auftritt oder mit starken Einschränkungen oder Schmerzen verbunden ist, sollte man sich unbedingt an den Arzt wenden.

Nein. Die Öffnung soll und darf nur mit therapeutischer Hilfe vorgenommen werden

  • Autor

    Mag. Gabriele Vasak

    Medizinjournalistin

    Gabriele Vasak ist seit 2019 freie Journalistin in der DocFinder-Redaktion. Ihr besonderes Interesse liegt schon lange im Bereich der medizinischen Contentproduktion. Im Jahr 2006 wurde sie mit dem Medienpreis für Gesundheitsförderung & Prävention des Fonds Gesundes Österreich ausgezeichnet, und im Jahr 2010 erhielt sie den Pressepreis der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie.

Rabady S et al. (2018): EbM-Guidelines, Evidenzbasierte Medizin für Klinik und Praxis, 7. Ausgabe. Kieferklemme, Kiefersperre. Deutscher Ärzte Verlag. Köln.

Pschyrembel Klinisches Wörterbuch (2017): Kieferklemme, Kiefersperre. 267. Auflage, De Gruyter 2017.

https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/zaehne/kiefersperre-kieferklemme.html, Abruf Oktober 2024

https://www.msdmanuals.com/de/heim/mund-und-zahnerkrankungen/akute-zahnbeschwerden/kieferluxation, Abruf Dezember 2022

https://medlexi.de/Kieferklemme, Abruf Dezember 2022

ICD10 Code: Kieferklemme K07.4 Fehlerhafte Okklusion

 

 

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