Frau beisst in ein Doughnut
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Bulimie: Die heimliche Krankheit

Die Bulimie ist eine Essstörung, bei der Betroffene anfallartige Heißhungerattacken haben und danach spezielle Maßnahmen (meist selbst ausgelöstes Erbrechen) ergreifen, um der Gewichtszunahme entgegenzusteuern. Die Störung betrifft vor allem junge Frauen und Mädchen. Für die psychische Störung stehen mehrere Therapien zur Auswahl.

Factbox – Bulimie

Definition: Die Bulimie ist eine Essstörung, gekennzeichnet durch wiederholte anfallsartige Heißhungerattacken, bei denen sich die Betroffenen in kurzer Zeit große Mengen Lebensmittel zuführen und anschließend versuchen, diese Nahrung wieder loszuwerden. 

Ursachen: Es gibt biologische und körperliche Einflüsse, weiters spielen Faktoren der persönlichen Entwicklung, belastende Erlebnisse, familiäre und gesellschaftliche Einflüsse eine Rolle.

Symptome: Das Hauptsymptom der Bulimie sind wiederkehrende Essanfälle und nachfolgende spezielle, der Gewichtszunahme entgegensteuernde Maßnahmen. Weitere mögliche Symptome: Körperschemastörung, Zahnschädigungen, Schwielen an den Fingern, Schwellung der Speicheldrüsen, Heiserkeit, Schluckstörungen, Schmerzen in der Speiseröhre,Magen-Darm-Nierenprobleme, Gewichtsschwankungen, Depressionen, Suizidalität.

Therapie: Bei der Therapie geht es um körperliche Rehabilitation und Ernährungstherapie, individuelle Psychotherapie und die Einbeziehung der Familie. Die Behandlung erfolgt meist ambulant, fallweise kommen auch Antidepressiva zum Einsatz.
Erster Ansprechpartner bei Bulimie kann der Hausarzt sein, in weiterer Folge der Facharzt für Psychiatrie sowie Psychologen/Psychotherapeuten.

Was ist Bulimie?

Die Bulimie ist eine psychische Störung, die zu den Essstörungen gezählt wird. Sie ist gekennzeichnet durch wiederholte anfallsartige Heißhungerattacken, bei denen sich die Betroffenen in kurzer Zeit große Mengen meist besonders fett- und zuckerreicher Lebensmittel zuführen. Anschließend versuchen die Patienten, diese Nahrung wieder loszuwerden, indem sie spezielle, der Gewichtszunahme entgegensteuernde Maßnahmen treffen. Am häufigsten dabei ist das selbst ausgelöste Erbrechen. Aber auch Fasten, exzessive körperliche Betätigung und der Missbrauch von Abführmitteln und anderen Medikamenten sind Gegenmaßnahmen, die manche Betroffene ergreifen. Wie alle Essstörungen tritt auch die Bulimie vor allem bei jungen Frauen auf – meist in der fortgeschrittenen Adoleszenz und im jungen Erwachsenenalter. Wie viele Betroffene es tatsächlich gibt, ist nicht eindeutig zu sagen, denn meist versuchen die Patientinnen, ihre Essanfälle und das anschließende Erbrechen zu verheimlichen. Zudem sind die meisten Bulimikerinnen im Gegensatz zu magersüchtigen Patienten unauffällig normalgewichtig. Ein wesentliches Merkmal der Bulimie ist die gestörte Wahrnehmung der eigenen Figur und des Gewichts, und in der Regel beschäftigen sich die Betroffenen sehr häufig mit dieser Thematik. Sie empfinden sich auch oft als zu dick, und fast immer geht einer Bulimie eine Diät voraus oder sie entwickelt sich als Folgeerkrankung einer Magersucht. Die Bulimie gilt als eine langwierige Erkrankung, bei der es häufig zu einem Auf und Ab kommt. Viele Betroffene haben oft monatelang keine Symptome, fallen dann aber doch immer wieder in ihr krankhaftes Essverhalten zurück. Oft leiden sie auch unter anderen psychischen Problemen wie Depressionen oder Ängsten, und die bestehende Essstörung kann diese Probleme verstärken. Im Extremfall kann Bulimie bis zum Suizid führen.

Wie kommt es dazu?

Wie bei allen psychischen Krankheiten wirken bei der Entstehung der Störung verschiedene Faktoren zusammen, die sich auch gegenseitig beeinflussen können. Dazu zählen im Fall der Bulimie:

  • biologische und körperliche Einflüsse wie etwa eine erbliche Veranlagung oder häufiges Diäthalten
  • Faktoren in der persönlichen Entwicklung wie etwa ein niedriges Selbstwertgefühl, Perfektionismus oder eine starke Sorge und Beschäftigung mit Aussehen, Figur und Gewicht
  • belastende Erlebnisse wie etwa Missbrauchs-, Gewalterfahrungen oder körperliche Vernachlässigung
  • familiäre Einflüsse wie etwa ein gestörtes Essverhalten oder eine Essstörung bzw. eine Überbetonung von Schlankheit und gutem Aussehen in der Familie
  • gesellschaftliche und soziokulturelle Einflüsse wie das vorherrschende schlanke Schönheitsideal in der westlichen Welt, wo Essstörungen grundsätzlich viel häufiger auftreten als in anderen Kulturkreisen

Auslöser einer Bulimie können belastende Erlebnisse oder Stress sein – so zum Beispiel Mobbing, eine Trennung oder der Verlust einer nahestehenden Person. Außerdem kann der Beginn körperlicher Veränderungen in der Pubertät eine Bulimie auslösen. Ein erhöhtes Risiko, an einer Bulimie zu erkranken, haben Models und Menschen, die Leistungssport betreiben – also jene, bei denen Schlankheit und Körpergewicht eine große Rolle spielen. Symptome der Bulimie

Wie äußert sich die Bulimie?

Das Hauptsymptom der Bulimie sind wiederkehrende Essanfälle, bei denen sich die Betroffenen große Mengen oft besonders fett- und zuckerreicher Nahrung, die weit über 10.000 Kalorien enthält, zuführen. Die Heißhungerattacken treten häufig besonders abends auf, und zwischen den Essanfällen wird die Nahrungsaufnahme meist extrem eingeschränkt. Nach den Essanfällen ergreifen Betroffene spezielle, einer Gewichtszunahme entgegensteuernde Maßnahmen. Dabei unterscheidet man zwei Typen:

  • Purging Type: Bulimie-Erkrankte dieses Typs erbrechen die Nahrung willentlich und oft unmittelbar nach den Essanfällen. Bei schwerer Ausprägung der Krankheit übergeben sich die Betroffenen nach jeder einzelnen Mahlzeit und haben täglich auch mehrere Essanfälle, bei denen sie meist große Mengen an hochkalorischer Nahrung zu sich nehmen. Ein Teil der Erkrankten erbricht auch schon nach der Aufnahme kleiner Nahrungsmengen. Wie oft und wann das Erbrechen herbeigeführt wird, hängt davon ab, wie weit die Krankheit fortgeschritten ist. Das Erbrechen geht in der Regel kurzfristig mit einem Gefühl der Entlastung einher, aber die Tatsache, zuvor den Essanfällen nachgegeben zu haben, führt zu starken Scham- und Schuldgefühlen. Das kann das bereits bestehende geringe Selbstwertgefühl weiter herabsetzen.
  • Non-Purging-Type: Bulimie-Erkrankte dieses Typs haben zwar Essanfälle, aber sie erbrechen sich danach nicht, sondern halten strenge Diät, fasten, nehmen Abführmittel oder versuchen das exzessive Essen durch Sport bis zur Erschöpfung auszugleichen.

Diese beiden Formen der Bulimie können sich überlappen oder in Phasen abwechseln. Patienten des Typs „Purging“ betreiben manchmal zusätzlich exzessiven Sport oder nehmen Abführmittel, um den Gewichtsverlust zu beschleunigen.

  • Bulimie-Erkrankte leiden zudem häufig unter einer so genannten Körperschemastörung. Das heißt, dass sie sich selbst als dicker wahrnehmen als sie wirklich sind. Außerdem beschäftigen sie sich andauernd und auf übertriebene Weise mit ihrem Gewicht, und das Selbstwertgefühl ist stark abhängig von ihrem Aussehen und ihrer Figur.
  • Die Zähne von Bulimie-Erkrankten können aufgrund häufigen Erbrechens geschädigt sein (Magensäure greift die Zähne an).
  • An den Fingern können sich ebenfalls aufgrund des Erbrechens Schwielen bilden.
  • Manchmal sind eine Schwellung der Speicheldrüsen, Heiserkeit und Schluckstörungen sowie Schmerzen in der Speiseröhre gegeben.
  • Es kann aufgrund der häufig und missbräuchlich verwendeten Abführ- und harntreibenden Medikamente zu Nebenwirkungen im Magen-Darm- oder Nierenbereich kommen.
  • Starke Gewichtsschwankungen sind möglich, im Durchschnitt bleibt das Gewicht aber im Normalbereich.
  • Symptome der Mangelernährung können auftreten. Durch Kaliummangel kann es zu Herzrhythmusstörungen kommen. Außerdem führt die Fehlernährung bei Bulimie zu hormonellen und Stoffwechselveränderungen.
  • Bei bis zur Hälfte aller Menschen mit Bulimie zeigen sich depressive Symptome. Auch Angst- und Persönlichkeitsstörungen bzw. Störungen der Impulskontrolle können auftreten. Letzteres bedeutet, dass Betroffene zu unkontrolliertem Geldausgeben, Ladendiebstahl vor allem von Nahrungsmitteln und Drogenkonsum neigen. Damit verbunden ist oft ein selbstschädigendes Verhalten etwa durch Zufügen von Verletzungen. Zudem werden die andauernde Beschäftigung mit Essen, die Suchtprozesse und die Gier nach Nahrungsmitteln von den Patienten oft als so belastend und quälend empfunden, dass auch suizidale Krisen auftreten können. Häufig ist auch ein verändertes Sozialverhalten: Die Betroffenen ziehen sich zurück, verlieren das Interesse an anderen Dingen, und diese Isolierung kann den ohnehin bestehenden Mangel an Selbstwertgefühl verstärken.

Diagnose der Bulimie

Die Diagnostik einer Bulimie ist oft schwierig, denn die Betroffenen meiden häufig aus Scham und trotz eindeutig bestehenden Leidensdrucks jeden Kontakt zu Ärzten oder Psychotherapeuten. Zudem ist die Abgrenzung zu anderen Essstörungen wie Magersucht oder Binge Eating (Heißhungeressen ohne Gegenmaßnahmen) nicht immer leicht. Bulimie wird diagnostiziert, wenn Menschen, insbesondere junge Frauen

  • angeben, dass sie innerhalb der letzten drei Monate mindestens zweimal pro Woche eine Essattacke hatten
  • während und nach dem Essanfall einen Kontrollverlust empfinden
  • die Essattacken durch Abführen (zum Beispiel durch Erbrechen, die Anwendung von Abführmitteln, Fasten oder übermäßigen Sport) kompensieren
  • sich deutlich besorgt über eine Gewichtszunahme äußern und ihr Selbstbild weitgehend auf Gewicht und Figur stützen

Weiters berücksichtigen die Experten

  • große Gewichtsschwankungen, besonders, wenn es Hinweise auf einen missbräuchlichen Gebrauch von Abführmitteln (Durchfall und Bauchkrämpfe) gibt
  • geschwollene Speicheldrüsen in den Wangen
  • Narben an den Fingerknöcheln vom Benutzen der Finger, um Erbrechen auszulösen
  • Zahnschmelzschädigungen durch Magensäure
  • niedrige Kaliumwerte, die bei einem Bluttest entdeckt wurden

Zur Diagnostik einer Bulimie eignet sich neben der umfassenden Anamnese das so genannte „Strukturierte Interview für Anorexia und Bulimia nervosa“. Damit lassen sich auch der Schweregrad sowie zusätzlich bestehende Erkrankungen erfassen.

Wie lässt sich die Ess-Brechstörung behandeln?

Wie bei anderen Essstörungen ist die eigene Motivation der Patienten und ihr Wille zur Veränderung Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie. Die Behandlung der Bulimie erfolgt in erster Linie ambulant in Einzel- und Gruppentherapien, und gerade bei sehr jungen Betroffenen ist es oft wichtig, die Sorgeberechtigten bzw. das familiäre System miteinzubeziehen. Psychotherapieformen wie die Verhaltenstherapie, Familientherapie und die psychoanalytisch orientierte Therapie haben sich als effizient erwiesen. Begleitend dazu können Selbsthilfegruppen sehr hilfreich sein. Eine stationäre Behandlung kommt bei sehr ausgeprägter Symptomatik oder wenn schwere Persönlichkeitsstörungen, selbstschädigendes Verhalten oder Suizidgefahr vorliegen, zum Einsatz. Das gilt auch dann, wenn soziale Isolation oder ein festgefahrenes familiäres Interaktionsmuster erfassbar sind, oder wenn ambulante Therapieversuche wiederholt gescheitert sind. Eine medizinische Behandlung ist unbedingt notwendig, wenn Stoffwechsel- oder andere körperliche Störungen bestehen. Bei der Therapie der Bulimie geht es um körperliche Rehabilitation und Ernährungstherapie, individuelle Psychotherapie und die Einbeziehung der Familie.

Körperliche Rehabilitation und Ernährungstherapie

Das Ziel ist das Durchbrechen des Teufelskreises von Heißhungerattacken und Erbrechen sowie eine Normalisierung des Essverhaltens. Ernährungsberatung und -therapie helfen Betroffenen dabei, sich eingehend mit gesunder Ernährung und Essverhalten auseinanderzusetzen. Wichtig dabei ist auch die Ernährungsanamnese, bei der unter anderem die Häufigkeit und die situativen Besonderheiten der Heißhungerattacken analysiert werden. Ein Essensplan, der teilweise auch bewusst „verbotene“ Speisen anbietet, kann das Gefühl der Entbehrung abbauen und die Wahrscheinlichkeit des Kontrollverlusts verringern.

Individuelle Psychotherapie

Als besonders wirksam haben sich – bei Jugendlichen ab 17 Jahren und bei Erwachsenen – die kognitive Verhaltenstherapie und die interpersonale Therapie erwiesen. Erstere zielt darauf ab, das Selbstbewusstseins der Patienten zu stärken, indem ungünstige, mit der Bulimie verbundenen Einstellungen korrigiert werden und alternative selbstwertsteigernde Bereiche aufgebaut werden, die unabhängig von Essverhalten, Gewicht und Aussehen sind. Bei der interpersonalen Therapie geht es um die persönliche Auseinandersetzung der Patienten mit den Folgen ihrer Essstörung auf ihre sozialen Beziehungen. Ziel ist eine Verbesserung der Beziehungsfähigkeit und der gegenwärtigen Lebenssituation.

Einbeziehung der Familie

Bei der Therapie von bulimieerkrankten Jugendlichen ist die Einbeziehung der Familie besonders wichtig, wobei vermittelt wird, dass die Familie nicht Ursache der Erkrankung, sondern wirksame Ressource für deren Überwindung ist.

Medikamentöse Behandlung

In vielen Fällen ist auch eine Behandlung mit bestimmten Antidepressiva (selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, SSRI) angezeigt und wirksam. Dabei beträgt die therapeutische Dosis das Drei- bis Vierfache derjenigen für Depressionen.

Bulimie: vorbeugen ist besser als heilen

Grundsätzlich sind Kinder, die ein gesundes Selbstbewusstsein und ein positives Körpergefühl entwickeln können und im Elternhaus eine ausgewogene Ernährung kennenlernen, seltener von Essstörungen betroffen. Wichtig ist – gerade in der Pubertät – auch, dass die Jugendliche lernen, sich selbst zu respektieren und sich von ungesunden Körperidealen abzugrenzen. Hier sind Eltern und Lehrpersonen gefragt, die richtigen Werte zu vermitteln und bei ersten Alarmzeichen frühzeitig zu reagieren. Bei auffälligen Beobachtungen ist es ratsam, das soziale Umfeld des betroffenen Kindes zu sondieren, mit dem Kind selbst einfühlsame Gespräche zu führen und rechtzeitig einen Experten zu kontaktieren, um sich beraten zu lassen. Eine Bulimie, die sich erst anbahnt, ist durch geeignete Therapieprogramme wesentlich leichter zu regulieren als eine spätere manifeste Bulimie.

Wer behandelt eine Bulimie?

Erster Ansprechpartner bei Bulimie kann der Hausarzt sein, in weiterer Folge der Facharzt für Psychiatrie sowie Psychologen/Psychotherapeuten.

Weiterführende Links und Adressen:

  • Autor

    Katharina Miedzinska, MSc

    Medizinjournalistin

    Katharina Miedzinska-Baran ist eine freie Medizinjournalistin, Biologin und Diätologin mit umfangreicher Expertise in der Erstellung medizinischer Inhalte sowie großem Interesse an Gesundheitsthemen.

https://www.bzga-essstoerungen.de/was-sind-essstoerungen/arten/bulimie/?L=0

https://www.minimed.at/medizinische-themen/psyche/bulimie/

https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/kinder-jugend-psychiatrie/erkrankungen/bulimia-nervosa/was-ist-bulimie-bzw-ess-brechsucht/

https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/psyche/essstoerungen/bulimie-was-ist-das

https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/051-026p_Essstoerungen_2015-06_01.pdf

https://www.beobachter.ch/gesundheit/krankheit/bulimie-bulimia-nervosa

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