Univ.-Prof. DDr. med. Erwin Jonke, Facharzt für Zahnmedizin mit dem Fachgebiet Kieferorthopädie und Klinikleiterstellvertreter der Universitätszahnklinik Wien in Mariahilferstraße 32/3, 1070 Wien beantwortet in dieser Experten-Sprechstunde Fragen zum Thema kieferorthopädische Behandlungen.
An welchen Arzt/Ärztin wende ich mich, wenn ich glaube, dass ich eine Zahnspange benötige?
Univ.-Prof. DDr. med Erwin Jonke: KieferorthopädInnen sind ZahnärztInnen, die spezialisiert darauf sind, Zahnfehlstellungen zu erkennen und mit einer entsprechenden Zahnspange zu behandeln. Im Bereich der Behandlungen für Kinder und Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr hat die österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) nach speziellen Qualitätsprüfungen bestimmten KieferorthopädInnen einen Vertrag für die Behandlung von Fehlstellungen mit der sogenannten Gratiszahnspange gegeben.
Abhängig vom Alter und der Zahnfehlstellung kann die Behandlung durch eine abnehmbare Zahnspange zumeist für Kinder oder eine festsitzende Zahnspange für Jugendliche und Erwachsene zur Therapie herangezogen werden. In den Bereich der festsitzenden Zahnspangen fällt übrigens nicht nur die Behandlung mit festsitzenden Brackets (Plättchen aus Metall oder Keramik, die an der Zahnoberfläche angebracht werden), sondern auch die Alignertherapie (Therapie mittels Kunststoffschienen).
Wie hoch sind die Kosten für eine Zahnspange und was übernimmt die Krankenkasse?
Univ.-Prof. DDr. med Erwin Jonke: Hier gilt es die Kosten für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr und die Kosten für die Behandlung von Erwachsenen zu unterscheiden. Bei Kindern und Jugendlichen mit der Zahnfehlstellung IOTN IV (Index of Orthodontic Treatment Need) oder IOTN V können KieferorthopädInnen mit einem Kassenvertrag für Zahnspangen die Behandlungskosten direkt mit der Krankenkasse verrechnen. Für die PatientInnen fällt also nur das Stecken der e-card an. Auch sogenannte zertifizierte WahlkieferorthopädInnen können in diesen Fällen die Korrektur der Fehlstellung durchführen. Hier haben die PatientInnen die Möglichkeit, sich einen Teil der Kosten von der Krankenkasse rückvergüten zu lassen.
Kinder und Jugendliche mit leichteren Fehlstellungen IOTN Klasse I-III sowie alle Erwachsenen erhalten nur wenig oder einen Teil der Kosten von der Krankenkasse erstattet. Die Kosten für die Behandlung können in unserer Ordination in diesen Fällen jedoch auch in individuelle Teilzahlungen aufgeteilt werden.
Was sind „Gummis“ im Bereich der Zahnspangenbehandlung?
Univ.-Prof. DDr. med Erwin Jonke: Im Rahmen einer Behandlung mit einer festsitzenden Zahnspange mittels Brackets oder Alignertherapie (Schienentherapie) können zur Unterstützung der Behandlung sowie zur Verbesserung einer Fehlstellung der Klasse II (Rücklage des Unterkiefers) oder III (Unterkiefer liegt zu weit vorne) Gummizüge verwendet werden. Es handelt sich hierbei um Einwegprodukte, sogenannte „Elastics“ die PatientInnen von den KieferorthopädInnen zur Verfügung gestellt werden. Die Gummizüge werden entweder ausschließlich nachts für sieben bis acht Stunden oder Tag und Nacht getragen. Tagsüber sollten die Gummizüge allerdings alle zwei bis drei Stunden erneuert werden, da ihre Wirkung sonst verloren geht. Entscheiden sich die BehandlerInnen für den Einsatz von Gummizügen, ist die ordnungsgemäße Handhabung durch die PatientInnen essentiell für eine optimale Korrektur der Zahnfehlstellung im Ober- und Unterkiefer.
Zahnspangen-Gummis können so eingesetzt werden, dass sie statt der Ligaturen Draht und Bracket verbinden und dabei helfen, den betreffenden Zahn an seine richtige Position zu verschieben. Als weitere Einsatzmöglichkeit kann der Zahnspangen-Gummi zwischen Zahn und festsitzender Zahnspange positioniert werden. Diese Maßnahme kann der/die Kieferorthopäde/Kieferorthopädin setzen, um die Zähne im Zahnbogen an ihre endgültige Position zu verschieben. Vor allem für den letzten Feinschliff greift man zu dieser Vorgehensweise und erreicht damit, dass die Zahnreihen am Ende der Behandlung passgenau schließen (Okklusion). Die Elastics werden hierfür von der KieferorthopädIn/dem Kieferorthopäden zur Verfügung gestellt und müssen regelmäßig gewechselt werden.
Wann bin ich zu alt für eine Zahnspange?
Univ.-Prof. DDr. med Erwin Jonke: Der jüngste Patient in unserer Ordination ist vier Jahre alt, der älteste Patient 87. Es gibt also kein Alter, in dem eine Zahnspange nicht zum Einsatz kommen kann, um die Zahngesundheit und das Wohlbefinden der PatientInnen zu verbessern. Die Stellung unserer Zähne verändert sich ständig, wenn auch im Minimalbereich. Allein die Art, wie wir schlucken, kauen und beißen hat großen Einfluss auf unser Gebiss. Auch sind viele Menschen heutzutage mit großem Stress konfrontiert und knirschen. Hier kommt es häufig zum Phänomen der sogenannten Abrasion (übermäßige Abnutzung vor allem der Mahlzähne). Gerade bei PatientInnen über 50 sind Fehlstellungen zu beobachten, die sich verschlechtert haben oder erst mit dem Alter aufgetreten sind. Eine Zahnspangenbehandlung kann auch in diesem Alter nicht nur zum längeren Zahnerhalt, sondern zu einem größeren Wohlbefinden und sogar jüngerem Aussehen verhelfen.
Was sind die Vorteile einer Therapie mit der Alignermethode?
Univ.-Prof. DDr. med Erwin Jonke: Der jüngste Patient in unserer Ordination, der mittels Alignertherapie behandelt wird, ist zehn Jahre alt, der älteste 70. Viele PatientInnen entscheiden sich für diese Therapieform, weil die Schienen herausgenommen werden können und so auch die Zahnreinigung kein Problem während der Behandlung darstellt. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Tatsache, dass die Kunststoffschienen fast unsichtbar sind. Mittlerweile können fast alle Zahnfehlstellungen, sogar kombinierte kieferorthopädische/kieferchirurgische Behandlungen mittels Schienentherapie durchgeführt werden.
Auch wenn die Kunststoffschienen der Alignertherapie kaum sichtbar sind, darf nicht vergessen werden, dass in den meisten Fällen neben den Schienen auch das Anbringen von einigen sogenannten Attachments notwendig ist. Es handelt sich hierbei um Kunststoffteilchen, die auf die Zahnoberfläche geklebt werden, um die Kraftübertragung der Schienen auf die einzelnen Zähne zu optimieren. Diese Attachments sind sehr klein, zahnfarben und meist unerlässlich für den Erfolg der Behandlung.
Aligner sind im Vergleich zu Brackets besonders einfach zu reinigen. Zur täglichen Reinigung der Aligner empfiehlt sich eine weiche Zahnbürste und Flüssigseife. Es sollten keine Zahnpasta, Zahnprothesen-Reiniger oder Mundwasser verwendet werden, da derartige Reinigungsmittel die Kunststoffoberfläche angreifen und damit die Schienen eintrüben können. Die Schienen sollten nach der Reinigung auch gründlich mit Wasser abgespült werden. Keinesfalls dürfen die Aligner mit kochendem bzw. zu heißem Wasser in Kontakt kommen. Idealerweise werden die Schienen in der dafür vorgesehenen Box aufbewahrt, wenn sie nicht getragen werden. Dies schützt die Schienen vor Beschädigung und Verlust.
Die Ergebnisse der Zahnspangenbehandlung mittels Schienentherapie können bereits bei Behandlungsbeginn anhand eines maßgeschneiderten 3D-Animationsprogramms angesehen werden.